Lernen Sie das BUS2BUS Advisory Board kennen: Iris Hegemann
Iris Hegemann vom Deutschen Tourismusverband bringt ihre Expertise in das BUS2BUS Advisory Board ein, um Tourismus und Mobilität noch enger miteinander zu verzahnen.
Ob für Städtereisen, Kulturtrips oder regionale Genussrouten – der Bus ist aus dem Deutschlandtourismus nicht wegzudenken. Er verbindet Orte, Menschen und Erlebnisse und trägt so maßgeblich zu einer nachhaltigen und sozial gerechten Tourismusentwicklung bei. Iris Hegemann, die beim Deutschen Tourismusverband (DTV) die Bereiche Kooperationen und Fachfragen verantwortet, engagiert sich im Advisory Board der BUS2BUS für die stärkere Verzahnung von Tourismus und Mobilität
1. Welche Entwicklungen prägen Ihrer Meinung nach die Bus- und Mobilitätsbranche aktuell am stärksten?
Wir erleben aktuell einen Wandel, der weit über technologische Innovationen hinausgeht. Die Bus- und Mobilitätsbranche befindet sich mitten in einer Phase, in der wir nicht nur darüber sprechen sollten, wie wir Menschen bewegen, sondern auch warum. Nachhaltigkeit, Digitalisierung und neue Reisegewohnheiten verändern die Branche, dabei sollten wir nicht vergessen warum wir Reisen und was reisen noch bedeuten kann. Hier geht es auch um Erlebnisse, Teilhabe und Lebensqualität.
Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren und neue Antriebstechnologien werden unsere Mobilität sichtbar verändern. Gleichzeitig fordert uns der Klimawandel heraus, Mobilität mutig und klimaverträglich neu zu denken. Gerade im ländlichen Raum bleibt viel zu tun, um Mobilität als Grundbedürfnis zu sichern.
Ein Leitgedanke begleitet mich besonders: „Mobility is a human ride.“ Mobilität ist ein menschliches Anliegen. Sie schafft Chancen, verbindet und hält unsere Gesellschaft zusammen. Die Zukunft der Mobilität definiert sich deshalb nicht allein durch Technik, sondern vor allem durch Haltung: Wie wollen wir zusammenleben, reisen und einander begegnen?
2. Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in Ihrem Arbeitsumfeld und welche Chancen sehen Sie für die Branche?
Nachhaltigkeit ist beim DTV kein Projekt, sondern Haltung – und seit Jahrzehnten fest verankert. Bereits in den 1980er-Jahren haben wir mit Wettbewerben zur umweltfreundlichen Reiseentwicklung wichtige Impulse gesetzt. Heute ist sie die Grundlage für einen zukunftsfähigen Tourismus in Deutschland.
Der Bus spielt dabei eine zentrale Rolle: Er ist klimafreundlich, sozial gerecht und inklusiv. Im ländlichen Raum ist er für viele Menschen das Tor zu Erlebnissen und Teilhabe, im urbanen Raum ein wesentlicher Baustein leistungsfähiger Verkehrsnetze.
Nachhaltiger Tourismus bedeutet für mich mehr als CO₂-Reduktion. Es geht um Lebensqualität, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität. Mobilität ist Teil des Reiseerlebnisses – nicht reine Logistik. Nachhaltigkeit ist kein Verzicht, sondern ein Versprechen an Gäste, Regionen und kommende Generationen.
3. Welche Erwartung haben Sie an die BUS2BUS 2026 – welche Themen sollte die Branche dort besonders diskutieren?
Ich wünsche mir eine Plattform für echten Austausch, Inspiration und konkrete Lösungen. Wichtige Themen sind für mich digitale Services, Infrastruktur und Finanzierung – insbesondere im ländlichen Raum – sowie neue Kooperationsmodelle mit dem Tourismus.
Messeformate wie die BUS2BUS sind Orte für Erlebnisse, persönliche Begegnungen und frische Impulse. Besucherinnen und Besucher wollen heute nicht nur zuhören, sondern mitwirken und inspiriert werden. Die Zeiten reiner Frontalvorträge sind vorbei.
Darum erhoffe ich mir Formate, die Dialog ermöglichen, Ideen aktivieren und Mut machen, neue Wege zu gehen – inklusive konkreter Werkzeuge und Take-aways für die Praxis.
4. Gibt es ein Erlebnis mit dem Bus, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, eine Nachtbusfahrt nach Wien, die ich ursprünglich nur gewählt habe, weil der Nachtzug ausgebucht war. Diese Reise hat mich positiv überrascht: viel Platz, angenehme Ruhe, ein reibungsloser Ablauf und eine entspannte Ankunft am Morgen. Für meine Reisezeit war der Bus am Ende sogar die komfortablere Wahl.
Spannend war vor allem die Reaktion meines Umfelds: Viele fragten erstaunt, ob das nicht unbequem gewesen sei. Dabei stellt niemand solche Fragen nach einem Langstreckenflug – obwohl dort Sitzabstände, Ruhe und Flexibilität oft deutlich eingeschränkter sind. Diese unterschiedliche Wahrnehmung fand ich bemerkenswert – und ehrlich gesagt etwas ungerecht.
Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, wie stark unsere Wahrnehmung von Mobilitätsformen durch Narrative geprägt ist – und wie wichtig es ist, positive Beispiele sichtbar zu machen.
5. Wenn Sie nicht in der Mobilitätsbranche arbeiten würden – in welchem Bereich könnten Sie sich stattdessen sehen?
Ich sehe mich zunächst im Tourismus – dort liegt meine berufliche Heimat. Und der Tourismus ist Gott sei Dank eine Querschnittsbranche, die viele Interessen berücksichtigt und Stakeholder verbindet. Meine Leidenschaft liegt dabei klar in der Mobilität. Diese Schnittstellenarbeit, bei der Ideen vernetzt, Perspektiven zusammengebracht und Rahmenbedingungen gestaltet werden, macht meinen Job wirklich reizvoll.
Herausfordernd ist, dass man wirklich einen langen Atem braucht. Die Mühlen arbeiten oft langsam, und die Erfolge könnten für mich durchaus greifbarer, sichtbarer und auch schneller sein. Das ist in anderen Branchen sicher anders. In unmittelbarer Nähe zur DTV-Geschäftsstelle entsteht gerade ein neuer Gebäudekomplex – ein riesiges Bauprojekt, bei dem man den Fortschritt täglich sieht und genau weiß: An Tag X ist es fertig. Das muss toll und sehr befriedigend sein. So etwas wünsche ich mir manchmal auch für unsere Branche.
Aber ich weiß: Meine Stärken liegen nicht im Bauen, sondern im Gestalten, Vernetzen und Zukunftsdenken. Ideen in Systeme zu bringen, Kooperationen zu ermöglichen und strategische Entwicklungen anzustoßen – dafür bin ich im Tourismus, und besonders an der Schnittstelle zur Mobilität, genau richtig.
6. Welche Rolle spielt der Bus im nachhaltigen Tourismus – und wie kann er helfen, Regionen besser zu vernetzen?
Der Bus hat im nachhaltigen Tourismus eine besondere Rolle, weil er Vernetzung in einer Tiefe leistet, die viele andere Verkehrsmittel so nicht bieten. Eine Busreise verbindet nicht nur Orte, sondern Menschen, Erlebnisse und Wertschöpfungsketten – vom Hotel über die Gastronomie bis hin zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Er öffnet Regionen, ermöglicht Begegnungen und schafft sichtbare wirtschaftliche Impulse – gerade abseits der klassischen Hotspots. Deshalb stelle ich mir weniger die Frage, ob der Bus Regionen besser vernetzen kann, sondern wie wir sein Potenzial noch stärker aktivieren. Dafür braucht es ein besseres Verständnis der jeweiligen Perspektiven und Interessen. Busreiseveranstalter arbeiten betriebswirtschaftlich und marktorientiert, Destinationen dagegen mit dem Anspruch eines nachhaltigen Destinationsmanagements. Diese unterschiedlichen „DNAs“ und Motivlagen müssen wir ernst nehmen und zusammenführen.
Was wir dafür brauchen, sind echte Dialogräume. Orte, an denen wir nicht nur Positionen vertreten, sondern ein gemeinsames Verständnis entwickeln, zuhören und voneinander lernen. Klassische „runde Tische“ reichen dafür oft nicht aus – hier liegt der Fokus häufig auf einer ausgewogenen Interessensvertretung, und das eigentliche Ziel gerät zu schnell aus dem Blick. Wir brauchen daher Formate, die neue Perspektiven ermöglichen und uns zu gemeinsamen Lösungen führen. Die Initiative Zukunft Nahverkehr hat mit dem „Denkraum 25“ ein spannendes Konzept vorgelegt, das zeigt: Für ein neues Bewusstsein brauchen wir neue Räume. Wir sind Wissensriesen und Umsetzungszwerge – aus diesem Dilemma müssen wir herausfinden. Voneinander abgucken, ist dabei durchaus erlaubt.
