5 Fragen an Steffen Opitz und Renée Ramdohr
Der Leiter der DVWG-Hauptgeschäftsstelle und die Generalsekretärin der ÖVG diskutieren die Zukunft des Busverkehrs: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Fachkräfte und europäische Zusammenarbeit.
Wie kann der Busverkehr von morgen nachhaltiger, digitaler und attraktiver werden? Darüber diskutieren Steffen Opitz von der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft und Renée Ramdohr von der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Im Interview geben sie Einblicke in aktuelle Entwicklungen der Mobilitätsforschung, beleuchten Chancen und Herausforderungen für Stadt und Land und zeigen, wie der Austausch über Ländergrenzen hinweg Innovationen vorantreibt. Außerdem erklären sie, warum Fachveranstaltungen wie die BUS2BUS zentrale Treffpunkte für die Branche sind – und worauf sich Besucherinnen und Besucher bei ihrem gemeinsamen Panel besonders freuen dürfen.
1. Wie sind Sie ursprünglich zum Thema Mobilität und Verkehrswissenschaft gekommen – was hat Sie daran besonders fasziniert?
Steffen Opitz: Ich bin von Haus aus Politologe und fand es schon immer spannend, wie zentral Mobilität für unsere Gesellschaft ist. Vom Kindesalter bis ins hohe Alter bewegen wir uns – in der Freizeit, im Beruf, auf kurzen und langen Wegen. Auch unsere Güter sind ständig in Bewegung, oft unbemerkt im Hintergrund. Verkehr ist ein komplexes Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure, und ich finde es faszinierend, dass dieses System Tag für Tag so verlässlich funktioniert. Besonders begeistert mich der öffentliche Personennahverkehr: Menschen sind rund um die Uhr im Einsatz, an Feiertagen wie an Werktagen, und gleichzeitig wird die Technik immer effizienter, leiser und komfortabler. Diese Faszination hat schließlich dazu geführt, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe.
Renée Ramdohr: Ich bin ursprünglich aus dem Tourismusbereich gekommen, habe aber schnell gemerkt, dass mir dort die notwendige Dynamik und Zukunftsorientierung fehlte. Mobilität hingegen ist ein Thema, das uns alle betrifft – sie prägt unseren Alltag, unsere Lebensqualität und letztlich auch die Entwicklung unserer Gesellschaft. Mein Interesse an der Mobilität ist also aus meinen eigenen Mobilitätsbedürfnissen heraus entstanden, aus dem Wunsch, an einem Bereich zu arbeiten, in dem man tatsächlich etwas bewegen kann. Besonders fasziniert mich dabei die Verbindung von Praxis und Wissenschaft: Verkehrswissenschaft ermöglicht es, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, Probleme fundiert zu analysieren und Lösungen zu entwickeln, die reale Wirkung entfalten. Im Rahmen meiner Arbeit im Verein ist es mir daher ein großes Anliegen, diese wissenschaftliche Perspektive in den Austausch mit Industrie und Gesellschaft einzubringen und eine Plattform zu schaffen, auf der Wissen geteilt und Innovation gefördert wird.
2. Wie sehen Sie die Entwicklung des Busverkehrs in den kommenden Jahren, – insbesondere im Spannungsfeld zwischen nachhaltiger Mobilität, Digitalisierung und dem sich wandelnden Mobilitätsverhalten der Menschen?
Steffen Opitz: Der Busverkehr bleibt das Rückgrat des öffentlichen Personenverkehrs. Er ist flexibel, kann schnell auf neue Bedarfe reagieren und verbindet Stadt und Land gleichermaßen. Mit innovativen Antriebsformen leistet er einen wichtigen Beitrag zur sauberen Mobilität in Innenstädten und ermöglicht gleichzeitig nachhaltige Verbindungen im ländlichen Raum. Auch als Ersatzverkehr bei Baustellen oder Störungen ist er unverzichtbar. Ein echter Innovationsschub wird sicherlich durch das autonome Fahren kommen: Wenn Busse künftig unabhängig vom Fahrpersonal unterwegs sein können, lassen sich auch schwächer nachgefragte Strecken zuverlässig bedienen – das schafft neue Chancen für die Daseinsvorsorge und die Vernetzung im ländlichen Raum.
Renée Ramdohr: In den kommenden Jahren wird die Transformation der Busflotten hin zu nachhaltigen Energiequellen eine der zentralen Herausforderungen – und Chancen – im öffentlichen Verkehr sein. Deutschland und Österreich haben hier im europäischen Vergleich noch Aufholbedarf, auch wenn bereits viele beeindruckende Projekte zeigen, wohin die Reise gehen kann. Besonders die Elektromobilität wird eine tragende Rolle spielen. Ob Wasserstoff langfristig in allen Bereichen eine wirtschaftliche und ökologische Alternative darstellt, wird sich noch zeigen – entscheidend wird dabei sein, dass die Finanzierung dieser Umstellungen langfristig gesichert ist und auch kleinere Verkehrsunternehmen mitgenommen werden.
Darüber hinaus sehe ich enormes Potenzial im Bereich des on-demand-Verkehrs, insbesondere für suburbane und ländliche Regionen. Gerade dort, wo klassische Linienverkehre an ihre Grenzen stoßen, können flexible, digital gesteuerte Angebote einen echten Mehrwert bieten – insbesondere in Kombination mit autonomen Technologien. Während solche Konzepte in anderen Ländern bereits erprobt oder sogar etabliert sind, stehen wir in Europa hier noch am Anfang. Dennoch bin ich überzeugt, dass diese Entwicklungen entscheidend dazu beitragen werden, Mobilität zukunftsfähig, inklusiv und nachhaltig zu gestalten.
3. Herr Opitz, welche Themen bewegen derzeit die verkehrswissenschaftliche Diskussion in Deutschland am stärksten? Gibt es Trends oder Herausforderungen, die Ihrer Meinung nach die Zukunft der Mobilität maßgeblich prägen werden?
Steffen Opitz: Ein zentrales Thema ist ohne Zweifel die Finanzierung. Kommunen und Verkehrsunternehmen stehen vor enormen Herausforderungen, und genau hier setzt auch die Forschung an: Wie können wir Mobilität langfristig sichern und gerecht finanzieren?
Ein weiteres großes Feld ist die Verkehrssicherheit. Viele verfolgen die Vision Zero – also keine Verkehrstoten mehr – und ich bin überzeugt, dass der ÖPNV hier eine Schlüsselrolle spielt. Moderne Fahrzeuge, neue Sicherheitstechnologien und gut geschultes Personal tragen entscheidend dazu bei, dass wir uns sicherer auf unseren Straßen bewegen.
Nicht zuletzt beschäftigt uns die Mobilität im ländlichen Raum – auch das war das DVWG-Jahresthema 2025. Der Bus ist hier ein zentraler Baustein: Er schließt Lücken zwischen Bahn und Zielorten, bringt Kinder zur Schule, Berufstätige in die Stadt und sorgt dafür, dass Freizeit, Kultur und Versorgung auch außerhalb der Ballungsräume erreichbar bleiben. Hier gibt es sicher noch Potenzial, aber klar ist: Ohne den Bus geht es nicht.
4. Frau Ramdohr, welche Schwerpunkte setzt die ÖVG aktuell in ihren Arbeitskreisen und Veranstaltungen? Wo sehen Sie die größten Chancen und Handlungsbedarfe im österreichischen Verkehrssystem?
Renée Ramdohr: Die ÖVG beschäftigt sich derzeit mit vier großen Schlüsselthemen, die alle Verkehrsbereiche gleichermaßen betreffen: Fachkräftemangel und Diversität, Instandhaltung und Verfügbarkeit, Klimawandel und Resilienz sowie globaler Wandel und strategische Abhängigkeiten. Diese Themen bilden den roten Faden unserer Arbeitskreise und Veranstaltungen, denn sie spiegeln die zentralen Herausforderungen des gesamten Verkehrssystems wider.
Besonders im Bereich des Fachkräftemangels wird deutlich, wie sehr alle Verkehrsträger – vom Güterverkehr bis hin zum Bussektor – betroffen sind. Der Mangel an qualifiziertem Personal, etwa an Busfahrerinnen und Busfahrern, ist längst nicht mehr nur ein betriebliches Problem, sondern ein gesellschaftliches. Diversität und neue Ausbildungswege sind hier ebenso gefragt wie technologische Unterstützung, etwa durch Automatisierung und Digitalisierung.
Ein weiteres großes Thema ist die Instandhaltung und Verfügbarkeit von Fahrzeugen und Infrastrukturen. Ohne zuverlässige Systeme kann kein nachhaltiger Verkehr funktionieren. Gleichzeitig stellen der Klimawandel und die damit verbundenen Anpassungserfordernisse den gesamten Sektor vor neue Aufgaben: Wir müssen Mobilität resilienter gestalten – gegenüber Extremwetterereignissen, Energiekrisen und geopolitischen Abhängigkeiten.
Darüber hinaus widmen wir uns auch Themen der Digitalisierung und der betrieblichen Mobilität. Gerade hier sehe ich auch für den Busverkehr enorme Chancen: Digitale Tools ermöglichen effizientere Planung, flexible Einsatzkonzepte und eine bessere Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern. Damit kann der Bus künftig noch stärker zu einem integralen Bestandteil eines nachhaltigen, vernetzten und widerstandsfähigen Verkehrssystems werden.
5. Die ÖVG und die DVWG fördern beide den interdisziplinären Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis. Wo sehen Sie aktuell die größten Schnittstellen und Möglichkeiten für eine verstärkte Zusammenarbeit, vielleicht auch auf europäischer Ebene?
Steffen Opitz: Ich sehe großes Potenzial in den Themenfeldern autonomes Fahren, alternative Antriebe und Digitalisierung. Viele Entwicklungen verlaufen parallel – da ist der Austausch über nationale Grenzen hinweg besonders wertvoll. Wir können voneinander lernen, sei es bei rechtlichen Rahmenbedingungen, bei der Integration neuer Technologien oder bei der Gestaltung nutzerfreundlicher, digitaler Angebote. Der europäische Blick hilft uns, Mobilität als gemeinsames Zukunftsprojekt zu verstehen.
Renée Ramdohr: Mobilität macht nicht an Landesgrenzen Halt - und genau darin liegt eine große Chance für eine noch engere Zusammenarbeit zwischen unseren Organisationen und in Europa. Gerade in den Grenzregionen sehen wir, wie eng die Verkehrsnetze bereits heute miteinander verflochten sind und wie wichtig eine koordinierte Weiterentwicklung ist. Europa ist nicht nur ein gemeinsamer Lebensraum, sondern auch ein starker Wirtschaftsstandort, der von gegenseitiger Unterstützung und dem Austausch von Innovationen profitiert.
Besonders im Bereich der Infrastrukturplanung und Digitalisierung sehe ich großes Potenzial für europäische Kooperationen. Wenn wir länder- und verkehrsträgerübergreifende Wegeketten denken, brauchen wir gemeinsame Richtlinien, kompatible Systeme und vor allem klare, verlässliche Finanzierungsstrukturen. So können wir Mobilität nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger und widerstandsfähiger gestalten.
Der Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis über nationale Grenzen hinweg ist dabei unverzichtbar. Er ermöglicht, voneinander zu lernen, Synergien zu nutzen und Mobilität als das zu begreifen, was sie im Kern ist, ein verbindendes Element für Menschen, Regionen und Ideen in ganz Europa.
6. Warum sind Messen und Fachveranstaltungen wie die BUS2BUS so wichtig für die Weiterentwicklung der Mobilität? Und dürfen Sie uns vielleicht schon einen kleinen Einblick geben, worauf sich die Besucherinnen und Besucher bei Ihrem Panel besonders freuen dürfen?
Steffen Opitz: Fachveranstaltungen wie die BUS2BUS sind unverzichtbar, weil sie Innovationen sichtbar machen und den persönlichen Austausch ermöglichen. Hier trifft man die Menschen hinter den Ideen – Entwicklerinnen, Betreiber, Forschende und Entscheider. Es ist immer auch ein Stück Familientreffen der Branche, das Gelegenheit gibt, sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und gemeinsam neue Impulse zu setzen.
Bei unserem Panel dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auf spannende Diskussionen, praxisnahe Einblicke und einen offenen Austausch über die Zukunft des Busverkehrs freuen.
Renée Ramdohr: Messen wie die BUS2BUS sind für mich vor allem Orte an denen Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen, Wissenschaft, Industrie, Politik und Verwaltung, und genau das schafft die Möglichkeit, gemeinsam über den Tellerrand zu schauen. Solche Veranstaltungen fördern Kooperationen, neue Perspektiven und nicht zuletzt die Inspiration, die es braucht, um Mobilität ganzheitlich weiterzudenken.
In unserem Panel geht es darum, den Schritt vom Plan in die Umsetzung zu zeigen: Wir möchten anhand praxisnaher Beispiele – von E-Mobilität bis hin zu On-Demand-Verkehren – aufzeigen, wie innovative Projekte erfolgreich umgesetzt werden können, wenn alle relevanten Akteure an einem Strang ziehen. Ziel ist es, zu zeigen, wie man aus Ideen greifbare Lösungen formt und so die Busmobilität von morgen gestaltet.
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