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Automatisierung des Straßenpersonenverkehrs

Autonome Personenfahrzeuge – die Straßen der Zukunft?

Schon länger geistert die Zukunftsmusik von autonomen Fahrzeugen als futuristische Lösung für allerlei Verkehrsprobleme durch die Medien. Seit einigen Monaten jedoch werden die Pläne zunehmend konkreter und ein automatisiertes Verkehrsnetz für die Zukunft damit immer wahrscheinlicher. Dabei besonders im Fokus: Der öffentliche Personenverkehr.

Die Schweizer Gemeinde Sitten verlängerte erst kürzlich die Testphase der sogenannten SmartShuttels, ein Pilotprojekt in Estland lässt seine selbstfahrenden Busse bereits durch die Hauptstadt rollen und ein chinesischer Zughersteller stellte schon im Juni eine Tram vor, die nicht nur ohne Fahrer, sondern dabei auch noch ohne Schienen auskommt. Auch in Deutschland ist die Automatisierung längst in der Testphase: Bereits ab Frühjahr 2018 sollen vier vollautomatische Kleinbusse auf dem Gelände der Berliner Charité unterwegs sein, die Deutsche Bahn will ihre Kunden bis spätestens 2025 mit fahrerlosen E-Shuttles von der Haustür zum nächstgelegenen Bahnhof befördern.

Die automatisierten Busse bewegen sich mithilfe von Kameras und Sensoren auf der im Vorfeld festgelegten Fahrstrecke und könnten, so Hans Sax, Institutsleiter am Karlsruher Institut für Technologie, durch entsprechende Technik sogar Informationen über die Anzahl der beförderten Personen sowie über Wetter- oder Straßenverhältnisse austauschen. Eine sichere Zulassung autonomer Einzelfahrzeuge liege damit laut Sax noch in weiter Ferne.

Automatisierungsstufen

Welche Szenarien in den nächsten Jahren hingegen durchaus vorstellbar sind, zeigt zum Beispiel Daimlers „Future Bus“, der in Amsterdam zwischen dem Flughafen Schipol und dem Stadtteil Harlem hin und her pendelt. Zwar fährt der Bus selbstständig, erkennt Fußgänger und rote Ampeln und lässt Fahrgäste automatisiert ein- und aussteigen, ganz verzichtet wird auf Personal jedoch nicht. Nach wie vor sitzt ein Fahrer im Cockpit, der das System überwacht und im Ernstfall jederzeit eingreifen kann. Dieses Beispiel entspricht der dritten von fünf Automatisierungsstufen, denen technische Systeme des Bereiches zugeordnet werden können. Während die ersten beiden Stufen, das assistierte und teilautomatisierte Fahren – zum Beispiel in Form von Tempomat und Autopilot – bereits auf den Straßen anzutreffen sind, ist Stufe 5, ein vollständig autonomes Fahrzeug ohne Lenkrad, derzeit noch nicht denkbar.

Der nächste bevorstehende Schritt, der voraussichtlich schon im kommenden Jahrzehnt das Verkehrsnetz erheblich beeinflussen wird, ist demnach Stufe 4 des Systems: Die Straßentauglichkeit vollautomatisierter Fahrzeuge, bei denen der Fahrer zwar anwesend ist, sich jedoch weder auf den Straßenverkehr konzentrieren, noch in den Fahrprozess eingreifen muss. Die aktuelle Studie von Roland Berger geht davon aus, dass Fahrzeuge dieser Automatisierungsstufe bis 2030 fester Bestandteil der Autoindustrie sein werden und leitet ausgehend von dieser Annahme erhebliche Veränderungen der Mobilität ab.

Wirkung auf Arbeitsplätze

Die schwerwiegendsten Auswirkungen wären demnach in den Strukturen des öffentlichen Personennahverkehrs zu verzeichnen, für den sich eine Aufwandssenkung von bis zu 60% erwarten ließe. Diese sei wiederum überwiegend auf den geringeren Personalbedarf zurückzuführen.

Damit einher geht jedoch nicht nur die potentielle Erweiterung des Verkehrsnetzes durch die neu gewonnenen Kapazitäten – beispielsweise durch automatisierte Busse zwischen Stadtzentren und umliegenden ländlichen Gebieten – sondern auch die Sorge um zahlreiche Arbeitsplätze. Spätestens bei einer Weiterentwicklung von Automatisierungsstufe 4 zu Stufe 5, also zu Fahrzeugen ohne vorgesehene menschliche Steuerung, wäre die berufliche Sicherheit von Millionen von Berufsfahrern schlagartig gefährdet.

Hochrechnungen in Bezug auf die Automatisierung von LKWs im Transportverkehr ergaben, dass bis 2030 rund 50-70 Prozent aller LKW-Fahrer in den USA und Europa nicht mehr gebraucht werden könnten. Ähnliche Auswirkungen ließen sich potentiell auch auf Berufsfelder im ÖPNV übertragen. Jedoch wäre durch entsprechende Umschulungen zumindest für einen Teil der Arbeitskräfte der Einsatz in anderen Bereichen des Verkehrsbetriebes, zum Beispiel der Wartung und Überwachung der automatisierten Systeme, denkbar.

Ein autonomes Fahrzeug auf der BUS2BUS 2017.

Adaption und Kosten

Wie unmittelbar ein solcher Wandel in der Struktur des ÖPNV tatsächlich bevorsteht, hängt jedoch nicht nur von der Weiterentwicklung der verbauten Technik ab, sondern auch von den damit einhergehenden Kosten – sowohl für Fahrzeughersteller als auch für die Nutzer der automatisierten Verkehrsmittel.

Die eingesparten Personalkosten könnten sich auf den öffentlichen Nahverkehr nämlich nicht nur positiv auswirken. Roland Berger sagt im Zuge der Preisveränderungen vor allem eine Stärkung autonomer Taxiflotten voraus, welche die Attraktivität des ÖPNV für potentielle Fahrgäste im Vergleich erheblich schwächen könnte. Darüber hinaus sei durch das höhere Taxiaufkommen und die daraus zu erwartenden Rückgang derzeitiger Carsharing-Angebote eine generelle Zunahme des Verkehrsaufkommens zu erwarten. Die Folge wären unter anderem längere Beförderungszeiten für Busse im öffentlichen Nahverkehr und, durch die geringere Nachfrage: Keine merkliche Kostenvergünstigung für Nutzer des ÖPNV.

Während sich die Kosten beim Aufbau autonomer Taxiflotten nämlich lediglich auf die Anschaffung der Fahrzeuge begrenzen, so geht mit der Automatisierung des öffentlichen Verkehrsnetzes meist eine aufwendige Umrüstung der Infrastruktur einher. Besonders gilt dies für den Schienenverkehr, also zum Beispiel Züge oder U-Bahnen. Zwar verursacht der Neubau einer fahrerlosen U-Bahn-Strecke lediglich drei Prozent mehr Kosten als die konventionelle Variante, die Umrüstung bereits bestehender Bahnstrecken gehen jedoch mit Mehrkosten von rund 30% einher. Dadurch relativieren sich die eingesparten Personalkosten, die Umstellung auf automatisierte Systeme scheint in diesem Fall weder für öffentliche Verkehrsbetriebe noch für ihre Nutzer besonders lohnenswert.

Ähnliches gilt übrigens auch für die Automatisierung von Privatfahrzeugen: Während Fahrerassistenzsysteme wie Abstandsregler oder Stauassistenten bereits in vielen Neuwägen zum Standardzubehör zählen, sind automatisierte Systeme zum jetzigen Zeitpunkt weder seitens der Hersteller noch für potentielle Käufer rentabel. Grund dafür ist schlichtweg der Kostenaufwand für die erforderliche Technik – beispielsweise ist im aktuellen Testwagen von Bosch Technik für rund eine halbe Millionen Euro verbaut, ein Preis der sich für den Verbraucher mit den vergleichbar verzichtbaren Funktionen des hochautomatisierten Systems bislang nicht rechtfertigen lässt. Zusätzliche Kosten haben Hersteller darüber hinaus auch durch den höheren Testaufwand der autonomen Fahrzeuge zu verbuchen – mehrere Millionen Kilometer Teststrecke wären nötig, um die Sicherheit solcher Fahrzeuge zu gewährleisten.

Verkehrssicherheit

Denn auch in puncto Sicherheit steht die automatisierte Zukunftsvision auf eher wackeligen Beinen. Eine internationale Umfrage des Unternehmensnetzwerks Deloitte, an der auch 1.750 deutsche Verbraucher teilnahmen, zeigt: Vom Vertrauen in die Maschine am Steuer sind wir noch weit entfernt. 72% der deutschen Teilnehmer schätzten die Sicherheit autonomer Fahrsysteme als nicht ausreichend ein und äußerten deutliche Bedenken, nur 20% der mittleren Altersgruppe gaben an, die Nutzung eines automatisierten Fahrzeugs theoretisch in Erwägung zu ziehen. Ein wenig mehr Begeisterung war bei den jüngeren Generationen auszumachen. Die Aufgeschlossenheit für autonome Fahrzeuge lag bei den sogenannten Millennials – also den zwischen 1980 und 2000 geborenen TeilnehmerInnen – immerhin knapp unter, bei der Generation Y – geboren zwischen 1995 und 2010 – sogar knapp über 30%. Fakt ist: Bei der Entwicklung der futuristischen Systeme, müssen sowohl sicherheitstechnische als auch ethische Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden, um einen weitreichenden Verkehrswandel tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Wie reagiert das System zum Beispiel auf unvorhergesehene Situationen? Wenngleich automatisierte Autos zwar voraussichtlich weniger Unfälle verursachen werden als es derzeit ihre menschlichen Fahrer tun, so werden sie dennoch nicht vollständig unfallfrei fahren können. Das am Massachusetts Institute of Technology entwickelte Online-Experiment Moral Machine, das potentielle Dilemmata des autonomen Fahrens aufzeigt, macht deutlich: Im Zweifelsfall muss das Auto über Leben oder Tod entscheiden. Versagen beispielsweise kurz vor einem Fußgängerüberweg die Bremsen des Wagens und das Umfahren der Fußgänger bedeute den sicheren Tod der Fahrzeug-Insassen, entsteht eine Entscheidungssituation, die aus moralischer Sicht weder Mensch noch Maschine zuzumuten ist. Wann also kann oder muss der menschliche Fahrer eingreifen? Und wer haftet im Falle eines Unfalls? Erst Mitte des Jahres präsentierte die Ethik-Kommission unter dem Vorsitz von Udo Di Fabio zwanzig Leitsätze für automatisierte Fahrsysteme, womit Deutschland weltweit als erstes Land über entsprechende Richtlinien zum autonomen Fahren verfügt. Einer der Grundsätze: Autos sollten auf der Straße nur die Kontrolle übernehmen dürfen, wenn dies die Sicherheit im Straßenverkehr nachweislich erhöhe.

Ein Ansatz, um diese erhöhte Sicherheit uneingeschränkt zu gewährleisten könnte das mathematische Modell sein, in dessen Entwicklung sich der israelische Hersteller für Assistenzsysteme Mobileye derzeit befindet. Ziel sei es hierbei, autonome Fahrsysteme mithilfe einer mathematischen Formel auf mögliche Unfallsituationen vorzubereiten und in diesem Zuge ein standardisiertes Fahrverhalten für den Ernstfall zu erarbeiten. Die Frage nach der Bewältigung unvorhersehbarer Straßenereignisse bleibt jedoch nach wie vor.

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